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„Wir brauchen in der Führung keine Nerds“

Wir tun in Deutschland immer noch so, als gäbe es eine analoge und eine digitale Welt, sagt Christoph Bornschein im Gespräch mit Claudia Otte. Im Management findet dieses Denken seinen Ausdruck im „Chief Digital Officer“. US-Unternehmen seien uns vielfach voraus, weil sie auf allen Ebenen und in allen Bereichen digitale Kompetenz voraussetzen. Es gehe bei erfolgreichen Neubesetzungen immer um Schnittstellen-Kompetenz und um die Frage: „Kannst du dich aus deinem Wissens-Silo herausbewegen?“

Hat Covid 19 ein neues Zeitalter eingeläutet oder wartet der Großteil der Vorstände und Führungskräfte immer noch auf das alte „Normal“?

Viele Unternehmen haben zu Anfang gedacht: Wir sitzen das aus. Irgendwann war dann evident, was uns erwartet. Die Pandemie dauert an. Es gibt ja dieses Bild von „Eine Dekade in einem Jahr“. Wenn man sich mal anschaut, wie Kreditkartenraten nach oben gegangen sind, obwohl Deutschland ja nicht wirklich ein großes Kreditkartenland war. Das ist jetzt anders. Kunden, die im letzten Jahr zum Online Shopping „gezwungen“ waren, werden auch nicht mehr in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen. Die Veränderungen auf allen Ebenen sind fundamental.

Was ist nun zu tun?

Man kann als Unternehmen nicht einfach nur abwarten. Und es gibt auch nach meiner Beobachtung kein großes Modeunternehmen mehr, welches in diesen Zeiten kein E-Commerce-Projekt steuert. Man könnte also sagen: Das ist ein Krisenergebnis! In Wirklichkeit holen die aber nur etwas nach, was sie sowieso hätten tun müssen. Merkel hat es richtig formuliert: Die Krise hat schonungslos unsere Schwächen offengelegt. Ich glaube, dass das jetzt auch im Mode- und Luxussegment passiert.

Woran liegt es, dass viele Unternehmen hierzulande mit der digitalen Transformation so hinterherhinken?

Es war lange Zeit eine Art Flucht vor der Komplexität. Solange man es sich aussuchen kann, trauen sich eben viele nicht. Es ist für ein stationär geprägtes Modeunternehmen ein großer Schritt und eine enorme Investition zu sagen, wir verändern das jetzt und stellen uns breiter auf. Viele Unternehmen haben vor der Krise einfach nicht den Druck verspürt, einen Change einzuleiten. Es gab da keine Priorität oder Fokus auf diesem Thema.

Ist der Zug für diese Unternehmen jetzt abgefahren?

Ja, ich glaube, es ist für viele einfach zu spät. Warum? Weil es zu teuer ist, Kunden online zu gewinnen. Weil Kundenansprache digital immer komplexer wird. Diese Unternehmen landen dann bestenfalls auf Marketplaces wie Amazon und Otto. Strategisch ist das natürlich nicht unbedingt zufriedenstellend, auf die Marktplätze der anderen gehen zu müssen, um die eigenen Produkte zu verkaufen. Aber die Vision einer hauseigenen Shoppingwelt wird für viele einfach nicht mehr funktionieren.

Gibt es sowas wie digitale Transformation überhaupt? Oder wird es am Ende nicht so sein, dass das Neue das Alte gnadenlos verdrängt?

Es wird einen Erneuerungsprozess geben. Die Zukunft der Innenstädte ist in diesem Zusammenhang ja momentan ein großes Thema. Einige Unternehmen, denen es sowieso schon nicht gut ging, werden es nicht schaffen und verschwinden. Die, die es jetzt hart erwischt, die hatten auch schon vorher ein Problem. Und dann gibt es andere, die diesen Veränderungsmoment hinkriegen und sich selbst in etwas anderes übersetzen. Dann bleibt die Marke. Wie Transformation gestaltet wird, ist dabei unterschiedlich: Entweder durchdringt die Veränderung das gesamte Unternehmen oder es wird lediglich etwas digitales Neues neben dem alten Business aufgebaut. Und dann gibt es die erfolgreichen Neugründungen, die schon mit den notwenigen Anforderungen ausgerüstet sind. Am Ende wird es eine Mischform geben. Einige sind pure, andere hybrid und manche einfach nicht mehr da.

Wie sieht der DAX in 10 Jahren aus?

Erstmal werden 40 Aktiengesellschaften vertreten sein. Wir werden eine Mischung aus den klassischen deutschen Unternehmen sehen wie zum Beispiel Volkswagen, und daneben erfolgreiche Start-Ups wie Delivery Hero. Start-ups sind der neue Mittelstand und dann eben auch irgendwann DAX-Unternehmen. Deutschland fehlt es ja schon lange an Erfolgsgeschichten durch Neugründungen. Es wäre absolut wünschenswert, wenn neben den 100 Jahre alten Unternehmen auch die gleiche Anzahl an signifikant großen digitalen Champions sitzen würden.

Wie muss ein Unternehmen gebaut sein, um im digital geprägten Umfeld bestehen zu können?

Wir werden sehen, dass erfolgreiche Unternehmen eher aus unterschiedlichen Wertschöpfungsströmen bestehen und flachere Hierarchien haben. Auch die Führungsgeneration wird sich verändern. Wir werden kein Leadership mehr erleben, welches nicht auch IT und Software-Kompetenz in sich trägt. Teams werden agil arbeiten. Die Trennung von Business und IT wird es so nicht mehr geben. Die Grundannahme eines traditionellen, deutschen Unternehmens wird also in Frage gestellt. Da die großen Unternehmen doch größtenteils Gewinner der Industrialisierung gewesen sind, sind auch alle Annahmen der Industrialisierung in diesen Unternehmen tief verwurzelt. Nun hat sich die Welt aber verändert, modernisiert. Die veralteten Annahmen passen also nicht mehr, sie sind in einer Software getriebenen Welt nicht mehr erfolgsförderlich. Daher werden sich die großen Industrie-Champions entweder verändern müssen, oder sie werden ersetzt.

Was bedeutet das fürs Management?

In Amerika gibt es seit Jahren den Chief Experience Officer oder auch Chief Customer Officer (CCO). Dieser ist für jegliche Kundenerfahrungen und Kundenbeziehungen verantwortlich. Wie fühlt sich ein Unternehmen an, wie interagiert es mit den Kunden? In den USA hat man deutlich schneller das Digital-Thema nicht als Sonderthema behandelt, so wie wir das hier so oft tun.

Wir delegieren das an den Chief Digital Officer.

Das finde ich furchtbar, weil man ja dann so tut, als gäbe es eine analoge und eine digitale Welt. Dabei hat doch jeder Kanal eines Konzerns digitale Aspekte. Es gibt ja auch keinen Chief Telefon Officer. In Amerika sind uns diesbezüglich viele Unternehmen einfach voraus, weil sie die digitale Kompetenz voraussetzen. Diese durchdringt das Unternehmen gesamtheitlich und bekommt nicht wie hier in Deutschland nur ein Vorstandsressort.

Kann ein Otto mal eben wie Amazon werden? Oder wenigstens wie Zalando?

Völlig unmöglich ist das nicht. Wenn man auf die Entwicklung und Zahlen schaut, die gerade veröffentlicht worden sind, dann kann man feststellen, dass Otto auf einem guten Weg ist. Bei der Aufgabe, einen Klassiker zu transformieren, müssen sich auch immer die Legacy und die Grundprämissen des Vorhergehenden verändern. Und das braucht seine Zeit. Es ist viel anstrengender als ein Unternehmen neu zu bauen. Aber es geht, und das kann man sich bei Otto ganz gut anschauen. Die Familie hat es schlau angestellt, weil sie auf verschiedenste Teile der Veränderung und der Wertschöpfung gesetzthat. Sie sind an About You beteiligt und investieren in großem Maße in Venture Capital Firmen.

Welche Skills und Qualifikationen im Management wie auch bei den Mitarbeitern werden künftig wichtiger? Welche brauchen wir nicht mehr?

Es geht bei erfolgreichen Neubesetzungen immer um Schnittstellen-Kompetenz. Es geht um die Fragen: Kannst du die Expertise in deinem Ressort, wie zum Beispiel die Einkaufsleitung, mit einem anderen Ressort verknüpfen, im besten Fall mit IT, Technologie oder auch New Leadership. Kannst du dich aus deinem Wissens-Silo herausbewegen? Was wir wohl nicht mehr brauchen, sind verengte Spezialisten und Nerds in der Führung. Je spezialisierter du bist, desto tiefer wirst du dich in der Organisationsstruktur wiederfinden.

Seid Ihr bei TLGG für Kunden momentan eher Feuerwehrmann oder Messias?

Zu uns kommen in der Regel Unternehmen mit Weitblick, die sich strategisch entwickeln wollen und langfristig denken. Viele neue Kunden sind jetzt die, die durch Corona große Versäumnisse in der Vergangenheit aufgedeckt haben und nun eine unternehmerische Chance in der Krise sehen. Sie sind bereit, die grundlegenden Prämissen in Frage zu stellen und strategisch zu investieren.

Wie nimmt man Unternehmen die Angst vor Veränderung?

Wir spielen mehr auf der rationalen Seite als auf der emotionalen Seite von Veränderung. Es gibt bei Transformationsprozessen diese große rationale Seite: Ich beweise dir, dass es da etwas zu gewinnen gibt. Wir sind gut darin zu zeigen, wie erfolgreich Wertschöpfung funktionieren kann, wie viel besser zum Beispiel die Entwicklung einer Kollektion funktioniert, wenn man Technologie einsetzt. Wenn man anfängt, an der Angst vor Veränderung zu arbeiten, bedeutet das, man nimmt sie ernst. Das vermeide ich. Das ist nicht unternehmerisch. Sich mit Ängsten zu beschäftigen heißt auch zu bestätigen, dass es hierfür einen Grund gibt. Gibt es aber nicht. Und das beweisen wir unseren Kunden, indem wir ihnen zeigen, dass sie mit weniger Einsatz mehr Output haben können. Für die individuelle Beatmung und die Veränderung von Glaubenssätzen sind dann ja Trainer und Coaches da.

Christoph Bornschein ist Mitgründer der Berliner Agentur Torben, Lucie und die Gelbe Gefahr (TLGG), die sich auf das Digital Business spezialisiert hat. Bornschein berät internationale Unternehmen, Marken und staatliche Institutionen bei der strategischen Nutzung digitaler Technologien. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge, Kolumnist im Manager-Magazin und gefragter Referent auf Konferenzen und Kongressen.