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„Führungskräfte müssen eine Kultur der Innovation schaffen“

Was braucht es, um Zukunftstechnologien optimal zu nutzen? Im SUITS. Talk spricht KI-Experte Dr. Wolfgang Hildesheim mit SUITS.-Partner Alexander Ebert über die Chancen und Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen.

Wann wird die künstliche die menschliche Intelligenz übersteigen?

Die Menschheit ist ohne jeden Zweifel auf dem Weg dahin, aber wir sind noch weit entfernt vom Punkt der Superintelligenz.

Es gibt also noch kein Datum.

Selbst die Experten sind sich sehr uneins, wann und ob das überhaupt erreicht wird, weil sich dafür sowohl die Hard- als auch die Software deutlich weiter entwickeln müssen. Insofern gibt es Superintelligenz aktuell nur in Hollywood-Filmen und Science-Fiction-Romanen. Genauso wenig gibt es die sogenannte General AI, die sich an eine Vielzahl verschiedener Dinge anpassen kann. Anders ist es in dem Fall einer schwachen AI, wo man KI für einen ganz bestimmten Zweck entwickelt und trainiert, wie z.B. Schach oder Go zu spielen oder autonom zu fahren. Das kann die heutige Technik bereits. Hier wird es gewaltige Fortschritte geben im Hinblick auf bessere Produkte und Produktivitäts-Steigerungen. Deutschland muss allerdings aufpassen, dass es nicht komplett den Anschluss verliert, so wie damals bei der Erfindung des Internet.

Sie sind mit IBM Watson dabei ja an vorderster Front unterwegs. Was kann Ihre KI im Unterschied zu anderen KIs etwa von Google, Amazon, Apple oder Meta?

IBM hat stets eine Vorreiterrolle gespielt. So war z.B. im letzten Jahrhundert der Schachcomputer Deep Blue ein Epoche machendes System, das gegen den damaligen Weltmeister Gari Kasparov gewann. Dann die IBM-Lösung im Einsatz bei der amerikanischen Fernsehshow Jeopardy: Hier konnte die KI die sehr komplizierten und vielfältigen Fragen aus diversen Wissensfeldern schneller und besser beantworten als die hochintelligenten Mitspieler. Das war eine KI-Anwendung im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung. So verfügt IBM heute über eine Vielzahl von KI-Werkzeugen und Services, mit denen sie heute eine große Vielzahl an KI-Projekten umsetzen können – bei der Sprachverarbeitung, beim Machine Learning, beim Deep Learning.

Und worin unterscheidet sich IBM von den erwähnten anderen Big Tech-Playern?

Jeder hat eben in seinem Bereich gewisse Stärken entwickelt. IBM ist u.a. stark in der Forschung: Mehr als 3.000 Forschende auf der ganzen Welt arbeiten bei IBM Research jeden Tag an den Technologien für die Welt von morgen. IBM Research bietet eine starke Pipeline an innovativen Tools und Anwendungen für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, die in das Watson-Portfolio einfließen. Nehmen Sie das Project Debater: Es ist das erste KI-System, das mit Menschen über komplexe Themen debattieren kann. Das Ziel ist es, Menschen dabei zu helfen, überzeugende Argumente aufzubauen und gut informierte Entscheidungen zu treffen. Die KI ist in der Lage, auf hohem Niveau zu debattieren – das heißt, Argumente zu entwickeln und auszutauschen. Wesentliche Fähigkeiten des Project Debater wurden in das Watson Portfolio integriert.

Welche Themenfelder beschäftigen Sie gerade? Und welche Branchen sind nach Ihrer Wahrnehmung die Vorreiter in Sachen KI?

Gerade ist das Thema Sprachverarbeitung sehr en vogue. Sehr viele Firmen beschäftigen sich mit der Automatisierung von FAQs. Die Technik, die hier zum Einsatz kommt, sind sogenannte smarte Assistenten. Wenn sie Textfragen bzw. Chats beantworten, sind das Chat Bots. Wenn diese dann auch noch eine Stimme, einen Text-to-Speech-Service on top haben, sind das Voice Bots und wenn man zudem noch Dokumentdatenbanken anschließt, sind das Information Bots. Oder eine Kombination davon. All das gehört in das Feld intelligenter bzw. smarter Assistenten. Denken Sie zum Beispiel an Versicherungen: Ohne persönlichen Kontakt die wichtigsten Fragen beantwortet zu bekommen oder Änderungen von Verträgen vorzunehmen. Diese Dinge kann man automatisieren.

Aus dem medialen Diskurs kennt man ja KIs, die CVs scannen, Maschinen die Stimmen analysieren und auch Bot-Bewerbungssysteme. Was kann eine KI leisten, um die geeignetsten Kandidaten heraus zu destillieren?

Natürlich können digitale Tools Stellen-Angebot und Job-Nachfrage leichter zusammenbringen. In der Vergangenheit war das eben mit einer einfachen Keyword-Suche getan. Mit der zunehmenden Spezialisierung ändert sich das. Man sucht vielleicht in einem komplexen Umfeld einen Programmierer, der genau drei spezielle Programmiersprachen, zwei Bibliotheken und zwei Fremdsprachen beherrscht in einem bestimmten Land – damit hat man eine Kombination von X Kriterien. Und hier will man jetzt unter Tausenden von Lebensläufen, die womöglich noch in unterschiedlichen Sprachen gehalten sind, den einen finden, der am besten zu den Anforderungen passt. Hier kann KI helfen, deutlich schneller fündig zu werden. Zudem gibt es digitale Diagnosetools, die immer automatisierter und besser werden und damit eine höhere Vergleichbarkeit auf Kandidatenseite schaffen.

Welche Lösungen gibt es im Bereich der HR Analytics?

HR Analytics geht weit über das, was ich eben erklärt habe, hinaus. Ein Beispiel: Bei IBM erhalten die Mitarbeiter aufgrund ihrer Jobprofile Vorschläge, welche Fortbildungen von Relevanz sein könnten. Auch die Diversität der Belegschaft spielt bei IBM eine wichtige Rolle. Wir fördern dies aktiv, weil wir glauben, dass wir mit heterogenen Teams erfolgreicher sind als mit homogenen Gruppen. Das setzt natürlich eine gute Analyse voraus.

Wie steht es um die ethischen Aspekte bei KI-basierten Auswahl- und Beurteilungs-Systemen? Im Hinblick auf Alpha- und Beta-Fehler bei der Bewerberauswahl, kann man KI hier verlässlich nutzen? Oder ist ein Algorithmus nur ein Abbild der Verzerrungen der Realität?

Recruiting Analytics muss als ein perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel unterschiedlichster Parameter und Kennzahlen gestaltet werden. Ein Beispiel ist die auf KI basierende Anwendung IBM Watson Recruitment. Ein Algorithmus berechnet den „Success Score“, die Wahrscheinlichkeit, wie erfolgreich der Bewerber in seiner neuen Position sein wird und wie gut er ins Unternehmen passt. Einflussfaktoren sind die Fähigkeiten eines Bewerbers, seine Ausbildung und frühere Rollen, deren Dauer sowie die Unternehmen, für die er tätig war. Doch auch Daten aktueller Mitarbeitenden, die in einer ähnlichen Position erfolgreich sind, sind relevant. Der Algorithmus muss für jedes Unternehmen spezifisch angepasst werden und immer wieder auf mögliche Verzerrungen überprüft werden.

Thema Ethik und KI – welche Rolle spielt das?

IBMs Ansatz für eine vertrauenswürdige KI stellt ethische Grundsätze beziehungsweise den Menschen in den Mittelpunkt. Wir sehen als Unternehmen eine grundlegende Verantwortung, das Vertrauen in die Technologie zu fördern. Es geht darum, dass man als Anwender weiß, was eine KI tut, dass sie transparent, erklärbar und robust gegen Störungen ist, dass sie Cyber-Angriffen widerstehen kann und im Besonderen, dass sie auch fair ist, d.h. alle Menschen gleich behandelt. Um dies zu gewährleisten, wird es seitens der EU den sogenannten Artificial Intelligence Act geben. Wenn wir es in Europa schaffen, für vertrauenswürdige KI bekannt zu werden, wird dies ein Wettbewerbsvorteil sein, vergleichbar mit „Made in Germany“ im Maschinenbau.

Wie ausgeprägt ist die Akzeptanz des Top-Managements, wenn es um KI-Einsatz geht?

Großunternehmen haben natürlich schon seit Jahren eigene Abteilungen und Teams, die sich damit beschäftigen. Es gibt inzwischen aber auch viele Mittelständler, die überlegen, wie sie ihre Produkte und Prozesse durch KI verbessern und ergänzen können.

Welche Fähigkeiten braucht man heute als Entscheider, um die richtigen Lösungen zu wählen, mit den Tools richtig umzugehen und dann Entscheidungen abzuleiten?

Die Offenheit für moderne Technologien halte ich für eine der wesentlichen Kompetenzen einer modernen Führungskraft. Es ist wichtig, dass man Tools und Techniken grob einordnen kann, in dem, was sie leisten können und was sie nicht leisten können. Bei IBM in München gibt es beispielsweise ein Experience-Center, wo wir laufend Unternehmen empfangen, die sich dort mehr als 30 KI-Anwendungen anschauen können und dann ein Gefühl bekommen, was möglich ist und was nicht. Zweitens muss eine Führungskraft eine Kultur der Innovation schaffen können, neue Ideen unterstützen, Projekten Raum geben. Es geht auch darum, in die Fortbildung der Mitarbeiter zu investieren. Und es geht um das Sammeln, Bereitstellen und Verstehen von Daten. Denn ohne Daten keine KI. All diese Skills zu stärken und dann eben in Prozessen, Techniken und Anwendungen zu denken, Projektideen nach Machbarkeit und Investitionsvolumen zu priorisieren, um dann in die Umsetzung zu investieren – darauf kommt es an.

Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich in den Bereichen KI-Forschung und KI-Anwendung?

Deutschland ist traditionell gut in der Forschung und hat viele global führende Universitäten, sei es die TUM in München, das KIT (Karlsruher Institut für Technologie) und das DKFI (Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz) in Kaiserslautern. Wir sind top bei der Anzahl und Qualität der wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Das Problem ist der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis, die Umsetzung der Ideen in Produkte und Dienstleistungen. High Potentials gehen häufig ins Ausland, wo sie zum Teil mehr Möglichkeiten haben, besser bezahlt werden und bei Gründungsvorhaben besser unterstützt werden.

Was kann man da tun?

Wir werden besser. Es sind bspw. Venture Capital KI-Fonds bei uns in Deutschland aufgelegt worden, um im internationalen Vergleich mithalten zu können. Die TUM München hat mit Unterstützung der Quandt-Familie die Unternehmer-TUM geschaffen, eines der größten KI-Hubs in Europa, aus dem bereits zahlreiche Börsengänge hervorgegangen sind. Das ist absolut exemplarisch und muss weiter ausgebaut werden.

Wie können KIs wie Watson zu einer besseren Welt und nachhaltigen Lebensweise ihren Beitrag leisten? Und wie verknüpft man die beiden zentralen Handlungsfelder – KI und strategische Nachhaltigkeitsziele?

Auch beim Thema Nachhaltigkeit kommt man um Daten und Datenanalyse nicht herum. Ohne eine robuste Datenbasis lässt sich weder analysieren, wo die Organisation oder die Lieferanten stehen, noch an den richtigen Stellen intervenieren oder einen überprüfbaren Nachhaltigkeitsbericht für die Investoren erstellen. Während es erforderlich ist, eine daten- und wissenschaftsbasierte Nachhaltigkeitsstrategie aufzusetzen, wobei wir als IBM mit datenbasierten Entscheidungsmodellen unterstützen, kämpfen die meisten Unternehmen noch mit dem aufwändigen Reporting, den neuen Regularien und Pflichten zur Offenlegung und regelmäßigen Berichten. Das blockiert den Blick auf die Chancen, die im Thema Nachhaltigkeit stecken.

Welche Utopie halten Sie im Hinblick auf KI für realistisch? Um plakativ zu sein, festgemacht an zwei Film-KIs, die wohl den Turing-Test mit Leichtigkeit bestehen würden: Eine „Ava“ aus Ex-Machina – manipulativ, berechnend und genial emotional, den Menschen übertreffend? Oder eine „Sam“ wie im Film Her – ebenso zugewandt, aber nie mit der Hybris, überlegen sein zu wollen?

Das sind typische Beispiele, wo die Möglichkeiten der aktuellen Technik überschätzt werden. KI ist noch nicht so weit, und unser Gehirn funktioniert ganz anders. Insofern glaube ich, dass eine Ava aus Ex Machina, eine humanoide Frau, die viel intelligenter ist als alle Menschen, Zukunftsmusik ist. Wenn überhaupt, wird es noch sehr lange dauern, bis das geht. Aber auf der anderen Seite gibt es heute schon vielfältige Möglichkeiten, KI im Unternehmen einzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel Anwendungen in der Kundenbetreuung, im Risikomanagement, in der IT, bei der Planung oder im Lieferkettenmanagement. Und da werden die Chancen, das heute schon zu tun, massiv unterschätzt. Wir sprachen darüber. Was KI möglich machen wird, wird den Unternehmen massive Wettbewerbsvorteile verschaffen. Das heißt, es führt kein Weg drum herum, sich damit intensiv zu beschäftigen.

 

Wolfgang Hildesheim ist promovierter Hochenergiephysiker. Er startete seine Laufbahn am CERN und DESY. Nach mehr als zehn Jahren in der Forschung und Beratung übernahm er eine führende Vertriebsposition im Bereich Big Data & Communication Intelligence. Seit 2007 ist Hildesheim für IBM tätig. Hier leitete er zuerst die Automotive, Aerospace und High Tech Practice, ab 2009 führte er das Big Data Industry Solution Business in Europa und seit 2012 ist er verantwortlich für den Aufbau und von IBMs Watson, Data Science und Artificial Intelligence Business in Europa mit Schwerpunkt auf DACH, wo er Projekte mit Kunden wie BMW, Deutsche Bahn, Telekom, Fraunhofer und HUK umsetzt. Hildesheim ist zudem Mitglied der Steuerungsgruppe KI der Dt. Regierung, Vertreter des Bitkom für Fragen der Normung von KI, Author und Key Note Speaker.