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Was, wenn Gen-Z übernimmt?

Die Modebranche lebte über Generationen auch von der Leidenschaft – und Leidensbereitschaft – ihrer Mitarbeitenden. Das ändert sich gerade, stellt Carl Tillessen fest.

Als Gene­ra­ti­on Z bezeich­net man bekannt­lich alle, die nach 1995 gebo­ren wur­den. Und die sind folg­lich inzwi­schen zum Teil bereits 28 Jah­re alt. Inso­fern kommt ihr Ein­tritt in die Berufs­tä­tig­keit nicht beson­ders über­ra­schend. An vie­len Stel­len kommt er aber beson­ders abrupt. Denn in zahl­rei­chen Mode­un­ter­neh­men lässt sich der­zeit beob­ach­ten, dass man bei der Neu­be­set­zung von frei­ge­wor­de­nen Schlüs­sel­po­si­tio­nen – ins­be­son­de­re im Design und in den Medi­en – mit einem Schlag gleich drei Gene­ra­tio­nen wei­ter springt. Das heißt: Wenn ein Boo­mer in den Ruhe­stand geht, rückt nicht etwa ein Anwär­ter aus der Gene­ra­tio­nen X und Y nach. Viel­mehr wer­den die­se bei­den Gene­ra­tio­nen in der Thron­fol­ge über­gan­gen, und der ver­ant­wor­tungs­vol­le Pos­ten geht direkt an einen Gen-Z-ler. Ermu­tigt wer­den Unter­neh­men zu solch unkon­ven­tio­nel­len Per­so­nal­ent­schei­dun­gen sicher auch durch Vor­bild­fi­gu­ren wie Gre­ta Thun­berg, Lui­sa Neu­bau­er, Bil­lie Eilish oder Lor­de, die der Welt gezeigt haben, dass man auch ohne rei­fes Alter rei­fe Leis­tun­gen ablie­fern kann.

Ent­schei­den­der ist aber wohl, dass die meis­ten Arbeit­ge­ber in der Mode gera­de spü­ren, dass ihr Unter­neh­men den Anschluss an die sich expo­nen­ti­ell beschleu­ni­gen­de Digi­ta­li­sie­rung ver­liert, weil die –­ über­wie­gend aus Digi­tal Immi­grants bestehen­de – Beleg­schaft den wach­sen­den digi­ta­len Reform­stau nicht beherzt genug angeht. Um sicher zu gehen, dass die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on ihres Unter­neh­mens in Zukunft schnel­ler vor­an­geht, stel­len sie daher immer dann, wenn mal wie­der ein Mit­ar­bei­ter in Ruhe­stand geht, der sich sei­ne E‑Mails noch von der Assis­ten­tin aus­dru­cken ließ, als Nach­fol­ger lie­ber gleich einen Digi­tal Nati­ve ein.

Das hat natür­lich auch sei­nen Preis. Denn selbst­ver­ständ­lich kommt nicht nur zusätz­li­che digi­ta­le Kom­pe­tenz und Effi­zi­enz ins Unter­neh­men, wenn man alte Hasen gleich rei­hen­wei­se durch Berufs­ein­stei­ger ersetzt. Es geht auch sehr viel Wis­sen und Know­how ver­lo­ren. Wenn man aus Schlüs­sel­po­si­tio­nen im Unter­neh­men ein Jugend-forscht-Pro­jekt macht, arbei­tet man in Berei­chen, in denen man eigent­lich bereits Erfah­run­gen gesam­melt hat­te, plötz­lich wie­der mit Tri­al-and-Error.

Die Aussicht, dass eventuell irgendwann ein bisschen von dem Glanz dieser Branche auf einen abfallen würde, war die Karotte, die einem vor die Nase gehängt wurde und einen antrieb, bis zur völligen Erschöpfung zu rennen.

Und das sieht man vie­len Kol­lek­tio­nen dann auch an – im Nega­ti­ven wie auch im Posi­ti­ven. Denn Tri­al führt ja nicht nur zu Error. Unbe­fan­ge­nes Her­um­pro­bie­ren und Neu-Den­ken führt eben oft auch zu uner­war­te­ten Ent­de­ckun­gen und schö­nen Über­ra­schun­gen. Ins­be­son­de­re im Design kann es sehr erfri­schend sein, wenn jemand ein­mal ein­fach drauf los schnei­dert – ohne die Sche­re im Kopf. Nur weil sich bauch­freie Ober­tei­le vor zwan­zig Jah­ren ein­mal nicht ver­kauft haben, heißt das ja nicht, dass es jetzt immer noch so ist.

Dar­über, wie ein­schnei­dend die Gene­ra­ti­on Z das Design von Mode ver­än­dert, wird an ande­rer Stel­le noch viel zu sagen sein. Noch viel ein­schnei­den­der als das Design, ver­än­dert sie jedoch einen ganz ande­ren Aspekt unse­rer Bran­che, näm­lich die Arbeits­kul­tur.

Das Kon­zept der Work-Life-Balan­ce zum Bei­spiel war der Mode­bran­che vor dem Ein­tritt der Gene­ra­ti­on Z voll­kom­men fremd. Denn die Mode­schaf­fen­den frü­he­rer Gene­ra­tio­nen unter­schie­den meist gar nicht zwi­schen Work und Life. Ihre Arbeit war ihr Leben. In die Mode zu gehen, bedeu­te­te, sein Hob­by zum Beruf zu machen. Und wer sich dafür ent­schied, dem war von vorn­her­ein bewusst, dass das natür­lich ein Ziel ist, das alle haben, aber nur die­je­ni­gen errei­chen, die es mit maxi­ma­ler Lei­den­schaft und Lei­dens­be­reit­schaft ver­fol­gen. Nur wenn man jahr­zehn­te­lang kon­stant här­ter und län­ger arbei­te­te, weni­ger Urlaub und mehr Über­stun­den mach­te, weni­ger ver­dien­te und sich mehr gefal­len ließ als alle ande­ren, konn­te man dar­auf hof­fen, viel­leicht, aber auch nur ganz viel­leicht, eines Tages vom unbe­zahl­ten Prak­ti­kan­ten zum Assis­ten­ten der rech­ten Hand des Pro­dukt­ma­na­gers für Hosen­stoß­band in einem nam­haf­ten Mode­un­ter­neh­men auf­zu­stei­gen. Die Aus­sicht, dass auf die­se Wei­se even­tu­ell irgend­wann ein biss­chen von dem Glanz die­ser Bran­che auf einen abfal­len wür­de, war die Karot­te, die einem vor die Nase gehängt wur­de und einen antrieb, bis zur völ­li­gen Erschöp­fung zu ren­nen. Welch bizar­re Blü­ten die Aus­beu­tung und Selbst­aus­beu­tung haupt­be­ruf­li­cher Fashion Vic­tims zwi­schen­zeit­lich getrie­ben hat, wur­de in Fil­men wie „Prêt-À-Por­ter“, „Phan­tom Thre­at“ und „The Devil Wears Pra­da“ für die Nach­welt ein­ge­fan­gen.

Die Nach­welt wird jedoch höchst­wahr­schein­lich größ­te Mühe haben, die Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se nach­zu­voll­zie­hen, die die­sen Geschich­ten zu Grun­de lie­gen. Denn das Macht­ge­fäl­le zwi­schen Arbeitgeber:innen und ‑nehmer:innen ist gera­de dabei, sich umzu­keh­ren. Das Aus­schei­den der gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge hin­ter­lässt einen so flä­chen­de­cken­den Man­gel an Fach­kräf­ten, dass sich der Arbeits­kräf­te­markt von einem Nach­fra­ge- in einen Anbie­ter­markt ver­wan­delt.

Grund­sätz­lich hat­te man das zwar kom­men sehen. Tat­säch­lich ist die Lücke, wel­che die pen­sio­nier­ten Baby­boo­mer hin­ter­las­sen, jedoch noch viel grö­ßer als erwar­tet. Denn bei den Berech­nun­gen war man noch davon aus­ge­gan­gen, dass die nach­wach­sen­den Arbeits­kräf­te pro Kopf genau­so viel arbei­ten wür­den wie die aus­schei­den­den. Das ist aber gar nicht der Fall. Denn die jet­zi­ge Gene­ra­ti­on hat ganz ande­re Prio­ri­tä­ten als die Gene­ra­tio­nen ihrer Eltern und Groß­el­tern. Für sie ist ihre Arbeit näm­lich nicht ihr Leben. Viel­mehr fängt das Leben für sie erst da an, wo die Arbeit auf­hört. Und des­halb soll, wenn es nach ihr geht, bei­des in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis zuein­an­der­ste­hen. Mei­ne Damen und Her­ren, Sie wur­den gera­de Zeug:innen der Erfin­dung der Work-Life-Balan­ce.

Wie unse­re Zah­len bei DMI zei­gen, ist der Gene­ra­ti­on Z die­se Balan­ce von Beruf und Frei­zeit (68% Zustim­mung) viel wich­ti­ger als Erfolg im Beruf (54% Zustim­mung). Um Zeit für sich selbst und die eige­nen Inter­es­sen zu haben (70% Zustim­mung), will die Mehr­heit von ihnen sogar nur noch Teil­zeit arbei­ten. Auf die Bewer­bungs­ge­spräch-Fra­ge „Wo sehen Sie sich in zehn Jah­ren?“ wäre also die ehr­li­che Ant­wort der meis­ten Gen-Z-ler nicht: „in einer Füh­rungs­po­si­ti­on“ (nur 34%), son­dern: „auf einer Teil­zeit­stel­le“. Ent­spre­chend machen die unter 20-jäh­ri­gen Arbeitnehmer:innen von Anfang an schon nicht ein­mal mehr halb so vie­le Über­stun­den wie ihre über 60-jäh­ri­gen Kolleg:innen. All das ver­schärft den ohne­hin schnell wach­sen­den Arbeits­kräf­te­man­gel noch zusätz­lich.

Bereits jetzt hat sich das Ver­hält­nis von Nach­fra­ge zu Ange­bot an Arbeits­kraft so zu ihren Guns­ten ver­scho­ben, dass auch Berufseinsteiger:innen nicht mehr in einer Friss-oder-stirb-Situa­ti­on sind und zum ers­ten Mal in der Geschich­te der Mode ihre Arbeits­be­din­gun­gen mit­ge­stal­ten kön­nen. Zäh­ne­knir­schend müs­sen Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che die For­de­run­gen die­ser Studienabgänger:innen erfül­len und ihnen zum Bei­spiel Home­of­fice und fle­xi­ble Arbeits­zei­ten zuge­ste­hen. So züch­tet der demo­gra­fi­sche Wan­del eine neue und bis­her unbe­kann­te Spe­zi­es von kom­plett uner­fah­re­nen, aber mit Auf­merk­sam­keit, Wohl­stand und Selbst­ver­trau­en auf­ge­pump­ten Kandidat:innen, die der Bran­che ein kom­plet­tes Umden­ken abver­langt.

Wenn junge Leute jetzt noch in die Mode gehen, dann nicht aus „passion for fashion“, sondern um Geld zu verdienen. In der Mode arbeiten bedeutet für sie nicht, einer Berufung folgen, sondern einem Beruf nachgehen.

Denn die­se neue, höher ent­wi­ckel­te Spe­zi­es will zwar einen Job. Sie will ihn aber nicht mehr um jeden Preis. Wie unse­re Zah­len bei DMI bestä­ti­gen, wür­de die Hälf­te aller 18- bis 24-Jäh­ri­gen ihren Job ein­fach kün­di­gen, sobald die­ser ihr nicht mehr zusagt. Rück­stands­los befreit von den Exis­tenz­ängs­ten der Kriegs- und Nach­kriegs­ge­nera­tio­nen wären 40 Pro­zent die­ser Gene­ra­ti­on sogar lie­ber arbeits­los als einen Job zu machen, der ihnen nicht zusagt.

Genau­so will die­se neue, höher ent­wi­ckel­te Spe­zi­es zwar in der Mode arbei­ten, aber eben auch das nicht mehr um jeden Preis. Denn wäh­rend die pri­va­te Beschäf­ti­gung mit Mode mit jeder neu­en Gene­ra­ti­on an Akzep­tanz gewon­nen hat, hat die beruf­li­che Beschäf­ti­gung mit Mode von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on an Pres­ti­ge ver­lo­ren. Der makel­lo­se Glanz, der das Fashion Busi­ness ein­mal umgab, hat durch die zahl­rei­chen Ent­hül­lun­gen um sei­ne öko­lo­gi­schen und sozia­len Schat­ten­sei­ten lei­der vie­le häss­li­che Krat­zer bekom­men. Wenn jun­ge Leu­te jetzt noch in die Mode gehen, dann nicht aus „pas­si­on for fashion“, son­dern um Geld zu ver­die­nen. In der Mode arbei­ten bedeu­tet für sie nicht, einer Beru­fung fol­gen, son­dern einem Beruf nach­ge­hen.

Aus ihrer Sicht ist Arbeits­zeit nun ein­mal grund­sätz­lich Zeit, die man lie­ber mit etwas ande­rem ver­brin­gen wür­de. Und inso­fern muss sie auch grund­sätz­lich anstän­dig bezahlt wer­den. Und zwar von Anfang an und nicht viel­leicht irgend­wann ein­mal. Im Gegen­satz zu frü­he­ren Gene­ra­tio­nen rennt die Gene­ra­ti­on Z des­halb auch nicht sofort los, wenn ein Arbeit- oder Auf­trag­ge­ber ihr eine Karot­te vor die Nase hängt, son­dern setzt sich erst dann in Bewe­gung, wenn man ihr ein ange­mes­se­nes Stück von der Karot­te gibt.

Inso­fern könn­ten Bewer­bungs­ge­sprä­che dem­nächst tat­säch­lich ein biss­chen so ver­lau­fen wie in dem Meme, auf dem der Per­so­na­ler sagt, „Anfangs ver­die­nen Sie 600 €, spä­ter dann € 1.800“, und der Bewer­ber ant­wor­tet, „Ok, dann kom­me ich spä­ter“.

 

Carl Til­les­sen ist gemein­sam mit Gerd Mül­­­ler-Thom­kins Geschäfts­füh­rer des Deut­schen Mode-Ins­­ti­­­tuts. Sein Buch “Kon­sum” geht der Fra­ge nach, wie, wo und vor allem war­um wir kau­fen. www.carltillessen.com