Herr Dr. Rose, Sie sind bekennender Heavy Metal-Fan, haben Bücher geschrieben, u.a. ‚HEAVY METAL BRANDS: Was Unternehmen von Heavy-Metal-Bands wie Metallica, Iron Maiden oder Motörhead lernen können‘. Brauchen wir dann auch Rockstars an der Spitze? Typen, die laut und provokant sind, die in der Öffentlichkeit stehen, die unkonventionelle Künstler sind? Und manchmal toxisch wie ein Elon Musk?
Bei Elon Musk sieht man natürlich sehr stark auch die negativen Folgen, nicht nur, was schlechte Presse und den Aktienkurs angeht. Tesla hat auch seinen Technikvorsprung eingebüßt. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass er sich um viele andere Dinge gekümmert hat und darüber sein Kerngeschäft vernachlässigt hat. Was die Rockstars an der Spitze angeht, so kommt natürlich sehr darauf an, über was für ein Unternehmen wir sprechen und auch in welcher Entwicklungsphase es sich befindet. Die Person an der Spitze muss immer auch zur Zeit passen und zum aktuellen Zustand und den Zielen des Unternehmens. Deswegen tue ich mich ein bisschen schwer mit einer Antwort.
Rockstar, das ist ja nicht nur Pose und Auftritt, sondern meint auch die Haltung und die Herangehensweise.
In dem Buch, das ich gemeinsam mit Götz Ulmer geschrieben habe, ging es weniger um Mitarbeiterführung, sondern wir haben uns eher die strategische Positionierung und Markenkommunikation von Unternehmen angeschaut.
Originell fand ich, dass sie mit dem Thema auch in Wacken aufgetreten sind.
Da habe ich mein zweites Heavy Metal-Buch vorgestellt – ‚Hard, Heavy & Happy – Heavy Metal und die Kunst des guten Lebens‘. Da geht es eher um die Szene und wie sich das anfühlt, Metal Fan zu sein. Was machst du mit der Musik, was macht die Musik mit dir? Und wie hilft Heavy Metal uns dabei, ein halbwegs anständiges Leben zu führen? Also fast ein psychologisches Buch, ohne jetzt ein Ratgeber zu sein.
Wie ist die Lesung neben all den Hardrock-Acts angekommen?
Es gibt auf Wacken eine kleine Bühne, die nennt sich ‚Welcome to the Jungle‘. Die ist reserviert für solche Spoken Word-Geschichten. Da lesen auch andere Leute, und da finden Live Podcasts statt. Deswegen war das jetzt gar nicht so ungewöhnlich, aber es war trotzdem immer cool. Ich mache das in diesem Jahr wieder, mit meinem neuen Buch, was gerade rausgekommen ist. ‚Laut.Stark.Leben‘. Das ist eine Biografie der Metal-Ikone Sabina Classen. Eine der frühen und wenigen Frauen der Szene, neben der noch bekannteren Doro Pesch. Eher was für Insider.
Ich finde Profitstreben erstmal hilfreich. Wir reden ja heute viel über Nachhaltigkeit. Ich finde, eine unternehmerische Nachhaltigkeit im Sinne von Rendite ist einfach auch unglaublich wichtig.
Ein anderes Buch von Ihnen heißt ‚Führen mit Sinn – Wie Sie die Führungskraft werden, die Sie sich früher immer gewünscht haben‘. Was ist der Sinn eines Unternehmens?
Ich habe mal eine Vorlesung am INSEAD besucht. Da war ein recht unkonventioneller Dozent, und eigentlich sollte es an dem Tag um Finanzthemen gehen. Wir waren aber auf einmal bei ganz grundlegenden Dingen, und er sagte so sinngemäß: ‚Die Leute wollen halt ihr Zeug haben, und Marktwirtschaft ist die beste Form, damit die Leute ihr Zeug bekommen‘. Bei allen Nachteilen dieses Systems bin ich erstmal überzeugter Marktwirtschaftler. Ich glaube, dass Unternehmertum einfach die beste und effizienteste Form ist, um Menschen mit schönen Dingen zu versorgen. Ich finde auch Profitstreben erstmal hilfreich. Wir reden ja heute viel über Nachhaltigkeit. Ich finde, eine unternehmerische Nachhaltigkeit im Sinne von Rendite ist einfach auch unglaublich wichtig.
Vor Jahren bei der Handelstagung des Gottlieb Duttweiler Instituts fragte ein Redner das erwartungsvolle Publikum: ‚What is our purpose?‘
Und?
‚To have fun and make money.‘ Fand ich so schlicht wie treffend. Sie sind ja auch ein bisschen der Experte für ‚To have fun‘. Oder habe ich das mit der Positiven Psychologie falsch verstanden?
Ich mag es nicht, wenn die Positive Psychologie auf dieses Thema reduziert wird. Das ist einer von ganz, ganz vielen Aspekten, die wir uns anschauen. Positive Psychologie ist vor allen Dingen erstmal eine Forschungsrichtung, eine Subdisziplin der akademischen Psychologie, aus der sich dann natürlich auch Empfehlungen ableiten lassen.
Und das ist ja auch das, was sie machen.
Aber es geht nicht ums Happy-Sein! Schon gar nicht in Krisensituationen. Wenn jemand zum Beispiel einen akuten Herzstillstand hat, dann ist es natürlich hilfreich, wenn jemand einen Defibrillator zur Hand hat. Wenn ein Unternehmen in eine Schieflage gerät, dann kann es ebenso angeraten sein, mit harten Methoden zu sanieren und restrukturieren. Die Methoden, die in einem Ausnahmezustand helfen, sind aber nicht die gleichen, die im Normalzustand zum Erfolg führen. Der Defibrillator hilft mir nicht dabei, meinen Lebenswandel umzustellen oder mehr Sport zu treiben. Der Sanierer wird mir wahrscheinlich nicht dabei helfen können, eine neue Strategie zu entwickeln und mein Geschäftsmodell neu zu definieren.
Da sollten dann Prinzipien aus der Positiven Psychologie greifen, wenn ich Sie richtig verstehe.
Die klinische Psychologie beschäftigt sich mit dem Erkennen und Behandeln von psychischen Krankheiten, Depressionen, Störungen. Also mit der negativen Abweichung von einem Normalzustand, mit dem Ziel, den Menschen wieder dorthin zurückzubringen. Die Positive Psychologie wendet sich dagegen an Menschen, die gesund sind im weitesten Sinne, und versucht, Anschub zu geben, für Persönlichkeitsentwicklung zu sorgen oder im Unternehmen Führungsbeziehungen zu verbessern. Es geht nicht darum, Leute in „happy shiny Einhörner“ verwandeln zu wollen, sondern sich auf die Stärken und nicht die Defizite von Menschen zu fokussieren.
Nun sind die Zeiten nicht gerade leicht. Wir haben es mit einer allgemeinen Negativ-Gemengelage aus Rezession, Transformationsdruck, Zeitenwende, Trumponomics usw. zu tun. Mit allen Folgen, die das für die Stimmung und die Situation vieler Menschen und damit auch Unternehmen hat. Was kann eine gute Führung in so einer Situation ausrichten?
Sie ist noch entscheidender. In solchen Situationen gilt es, das Spannungsfeld von Authentizität und Professionalität neu auszuloten. Man kann sich ja als Führungskraft nicht einfach vorne hinstellen und sagen: ‚Leute, es ist scheiße, und mir geht es auch scheiße‘. Die Professionalität gebietet es, Optimismus zu verbreiten und vielleicht sogar manchmal ein bisschen zum Schauspieler zu werden.
Natürlich gibt es ein Level von Zweckoptimismus, wo es dann so dermaßen unrealistisch wird, dass die Leute sich an den Kopf fassen. Aber sich hängen lassen, sich mich mit dem Team verbrüdern und im Leid suhlen, das geht auch nicht.
Wobei die Mitarbeitenden ja durchaus spüren, wenn der Chef oder die Chefin Schönfärberei betreibt. So ein Positivismus kann auch toxisch wirken.
Das stimmt. Ich erinnere mich noch sehr klar an eine Situation, als ich noch bei Bertelsmann war. Da stand ich einem Team vor, das wegen des riesigen Workloads extrem überlastet war. Wir forderten über Monate Verstärkung, die schließlich auch bewilligt wurde. Und an dem Tag, wo die neue Mitarbeiterin ihren Vertrag unterschreiben sollte, teilten mir meine Vorgesetzten mit, dass die neue Stelle aus Budgetgründen schon wieder gestrichen sei. Und mit dieser Botschaft musste ich zu meinem Team gehen. Das war schon ein schwerer Moment, weil ich genau gemerkt habe, ich bleibe meinen Leuten jetzt echt was schuldig und muss ihnen aus meiner Rolle heraus was aufbürden. Da gab es nicht wenige, die waren bereits dem Burnout nahe, da hast Du als Vorgesetzter ja auch eine Verantwortung. Und dann sprichst du natürlich darüber, okay, können wir noch mal irgendwas weglassen, können wir noch effizienter werden? Bla bla bla. Ich bin darüber ziemlich zynisch geworden, was, glaube ich, nachvollziehbar ist.
Wie haben Sie das dann gelöst?
Irgendwann nach ein paar Tagen hat mein Team damals jemanden zu mir geschickt. Die Dame war früher mal Vorstandssekretärin, die hatte spitze Ellenbogen und keine Hemmungen. Und die hat mir sinngemäß die Botschaft überbracht: ‚Nico, wir wissen, wie es dir geht, wir finden das ja genauso scheiße. Wir sind jetzt mental an dem gleichen Punkt. Aber wenn du dich jetzt auch noch hängen lässt, und wenn wir jetzt von dir keine Energie und keinen Zuspruch mehr bekommen, dann ist hier wirklich der Ofen aus‘. Im Grunde hat sie gesagt: ‚Reiß Dich mal zusammen und sei professionell.‘
Zuviel Empathie schadet?
In meiner authentischen Verfassung hätte ich mich damals wahrscheinlich noch weiter hängen lassen. Mein Team hat mich quasi daran erinnert, dass zur Professionalität in dieser Situation ein anderes Verhalten erfordert. Natürlich gibt es ein Level von Zweckoptimismus, wo es dann so dermaßen unrealistisch wird, dass die Leute sich an den Kopf fassen. Aber sich hängen lassen, sich mich mit dem Team verbrüdern und im Leid suhlen, das geht auch nicht. Und ich glaube, dieses Spannungsfeld muss man immer wieder neu ausloten.
Haben Sie einen Tipp, wie man Teams durch unsichere Phasen führt?
Es gibt in der Forschung einen Begriff, den ich sehr gerne mag, der nennt sich Sense-Making. Es geht darum, sich bewusst mit anderen über Veränderungen und Entwicklungen auszutauschen: Was bedeutet das jetzt für uns? Wenn sich schnell viel ändert, dann haben wir allerdings häufig das Gefühl, dass wir keine Zeit für dieses gemeinsame Innehalten haben. Das führt dann aber dummerweise dazu, dass man in der Regel noch mehr den Überblick verliert. Es ist eine Floskel, aber ich würde sagen, gerade wenn es eilt, geh auch mal langsam. Nimm dir Zeit für kollektives Sense-Making.
Und wenn sich kein Sinn erschließt?
Natürlich habe ich auch als Führungskraft nicht immer alle Informationen. Der ganz natürliche Impuls ist abzuwarten, bis ich es verstanden habe, um dann die Leute mitzunehmen. Aber das passiert dann in der Regel viel zu spät.
Also besser Unwissenheit eingestehen?
Ja. Ich finde es total okay, zu sagen: ‚Liebe Leute, ich weiß es jetzt noch nicht.‘ ‚Noch‘ ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Wort! Denn natürlich wollen wir nicht hoffnungslos erscheinen. Nicht rausgehen aus der Kommunikation, sondern gerade reingehen, wenn ich mich selbst unsicher fühle. Das wäre eine große Empfehlung.
Die meisten Führungskräfte sind von Krisen selbst auch emotional belastet. Kann man sich auf solche Lagen vorbereiten oder das trainieren?
Es gibt Persönlichkeitseigenschaften, die sind angeboren, da kann man nicht viel ändern. Manche Menschen sind emotional einfach stabiler und stressresistenter als andere – die können mit Krisen und Unsicherheit besser umgehen. Und dann gibt es Dinge, die man kultivieren kann. Intellektuelle Bescheidenheit, also Nichtwissen anerkennen, das ist fast immer hilfreich für Führungskräfte. Das Einfachste, was man machen kann, nenne ich WWW: ‚What Went Well‘. Richte deine Aufmerksamkeit zumindest für ein paar Minuten am Tag auf die Dinge, die jetzt gerade vielleicht trotz allem richtig gut laufen. Morgens auf dem Weg zur Arbeit überlegen, was sind neben den paar doofen Terminen die drei Dinge, auf die ich mich freue? Abends für sich resümieren, welche drei Sachen einen heute trotz allem erfreut haben. Und wenn bloß das Schnitzel in der Kantine besonders lecker war.
Es spricht nicht gegen einen Tischkicker, es spricht nichts gegen den Obstkorb, es spricht auch nichts gegen Massagen oder Firmenpartys. Was man nur nicht davon ableiten darf, ist ein wirtschaftlicher Erfolg.
Das gute alte Think Positive…
Ich weiß, das klingt banal, aber die Forschung zeigt tatsächlich, dass dies einen ganz klar stimmungsauffallenden Effekt hat. Oder nehmen Sie das typische Meeting. Statt nur Probleme zu wälzen, ist es vielleicht ratsam, dass am Anfang erstmal jeder über ein oder zwei Dinge spricht, die in der letzten Zeit gut gelaufen sind. Es geht nicht nur um die positive Stimmung, sondern wir wissen aus der Forschung, dass positive Gefühle den Zusammenhalt stärken und Kreativitätsprozesse begünstigen.
Am Ende sind Unternehmen trotzdem kein Kuschelzoo, oder? In jüngeren Unternehmen gibt es ja nicht selten die Institution des Feelgood-Managers. Was halten sie von diesem Konzept und den dahinterstehenden Ideen?
Es spricht nicht gegen einen Tischkicker, es spricht nichts gegen den Obstkorb, es spricht auch nichts gegen Massagen oder Firmenpartys. Was man nur nicht davon ableiten darf, ist ein wirtschaftlicher Erfolg. Ich bin ja von Haus aus Psychologe, habe aber über Controlling promoviert. Ein Unfall, aber es ist doch ein bisschen BWL hängen geblieben. Wirtschaftlicher Erfolg ist in der Regel die Folge von erarbeiteten Wettbewerbsvorteilen. Wer einen Feelgood-Manager beschäftigt, damit es den Leuten gut geht, okay. Wenn sie erwarten, dass das das Unternehmen erfolgreich macht, dann würde ich sagen, bitte wieder zurück zur Uni.
Dass es den Leuten gut geht, ist vielleicht nicht allein ursächlich, aber doch auch eine Voraussetzung für Erfolg.
Natürlich ist es wahnsinnig wichtig. Aber was heißt gut gehen? Dass die Leute den ganzen Tag lächeln? Nein, Arbeit darf natürlich auch mal keinen Spaß machen, und Arbeit darf auch hart sein. Und Arbeit darf auch so sein, dass ich zwischendurch mal fluche. Viel von dem, was so unter Feelgood-Management läuft, das fällt halt unter „das Hamsterrad ein bisschen besser auspolstern“. Die Leute haben Scheiß-Jobs, es wird schlecht geführt, die Unternehmenskultur ist komisch. Alle sind dem Burnout nahe, aber dafür kriegen sie freitags Pizza und Nackenmassage. Das kann es ja nicht sein. Feelgood-Management ist für mich Symptombehandlung. Lieber sollte man Zeit und Geld in die gute Ausbildung von Führungskräften investieren und in Diagnostik, um sicherzustellen, dass jeder Mensch den Job macht, den er oder sie wirklich mag und wo er auch seine Stärken hat. Es geht darum, die bestmögliche Passung herzustellen zwischen Mensch und Aufgabe. Und wenn das gegeben ist, dann können wir auch über Kicker und Obstkorb sprechen.
Seit der Corona-Krise ist hybrides Arbeiten in vielen Funktionen der Normalfall. Das dezentrale Arbeiten erleichtert Führung nicht. Oder ist jetzt einfach nur anders, und man muss sich halt umstellen?
Es wurden Bücher veröffentlicht, wir müssten jetzt „digital führen“. Ich habe nie verstanden, was „digitale Führung“ sein soll. Es gab früher ja auch keine Führung per Dampfmaschine. Es geht um Medienkompetenz. Also, wie nutze ich Medien so, dass ich die beabsichtigte Wirkung erziele und bestimmte Nebenwirkungen vermeide. Was gute Führung, schlechte Führung ausmacht, hat sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren nicht viel geändert. Wenn ich als Chef oder Mitarbeitender ein Arsch bin, bin ich in der Videokonferenz auch ein Arsch.
Aber emotionale Nähe ist trotzdem nicht so leicht zu schaffen.
Homeoffice bedeutet für Führungskräfte ganz viele Videokonferenzen. Und natürlich kommen wir über Video nicht ganz so rüber wie in echt. Ich kann den Menschen nicht riechen, das ist manchmal gut, gehört aber zum Gesamtbild. Ich kann auch Körpersprache nicht komplett entziffern. Wir kommen nicht so energetisch rüber wie in der Live-Situation. Ich hatte in der Corona-Zeit mal einen Workshop mit eBay. Oliver Klinck, der damalige Deutschlandchef, hat zur Verabschiedung einen intelligenten Satz gesagt, der die Forschung zu diesem Thema gut zusammenfasst: ‚We have to be ten percent nicer online‘. Also wir müssen netter, sympathischer, energetischer sein, um ungefähr so zu wirken wie im echten Leben. Die meisten Leute sind übrigens viel zu nah an ihrer Videokamera dran. Wie viele Nasenlöcher musste ich mir in den letzten Jahren ansehen. So nah komme ich Menschen persönlich nur, wenn ich sie küssen oder schlagen wollte.
Vielen schaut man von unten an, das ist ganz unangenehm, selbst wenn man es nicht mit einem Doppelkinn zu tun hat.
Es stimmt, die Kameras sind häufig zu niedrig. Das heißt, ich schaue auf mein Gegenüber herunter. Ich bin auch bei Präsentationen immer so weit weg, dass die Leute meine Gestik sehen können. Ohne die Gestik fehlt einfach ein wichtiger Teil. Ich nutze zudem ein Ringlicht, das dem Gesicht schmeichelt. Ich würde Unternehmen raten, nicht knickerig bei der Technik zu sein. Und Führungskräften würde ich anraten, ein bisschen zum Schauspieler zu werden. Also lebhaft aufzutreten, lieber extra große Gesten machen und bewusst ein bisschen mehr intonieren. Das wird nicht alle Schwierigkeiten beseitigen, aber für Wirkung sorgen.
Trotzdem wird es für Führungskräfte schwieriger, ihr Team auch emotional zu binden und hinter sich zu bringen, wenn der Schwatz zwischendurch fehlt. In manchen Videocalls sagt man ja nicht einmal mehr guten Morgen.
Eine Empfehlung ist tatsächlich: Lasst den Smalltalk nicht sausen. Und natürlich braucht es regelmäßige Präsenztreffen. Vertrauen baut sich immer noch eher im persönlichen Kontakt auf.
Welche Kompetenzen werden aus Ihrer Sicht für Führungskräfte der Zukunft – gerade mit Blick auf die aktuelle Unsicherheit und den Wandel – besonders wichtig sein?
Offenheit ist wichtig, für neue Themen wie zum Beispiel KI, und sich mit den Auswirkungen auf Geschäftsmodelle zu beschäftigen. Sonst ist man in fünf Jahren vielleicht weg vom Fenster. Aber an der Relevanz von guter Führung ändert dies nichts.
Das heißt?
Die wichtigste Kompetenz einer guten Führungskraft ist, anderen Menschen wirklich zu vertrauen. Wenn ich nicht genug vertraue, dann muss ich kontrollieren. Dann baue ich Systeme drumherum. Diese Systeme machen langsam und sind teuer. Von daher wäre meine größte Empfehlung an jede Führungskraft, im Zweifel lieber erstmal zwei Prozent zu viel zu vertrauen. Wenn es dann in drei von hundert Fällen schiefgeht, bist du bestimmt resilient genug, um damit umzugehen. Aber das ist immer noch besser, als hundert Prozent der Leute zwei Prozent zu wenig zu vertrauen. Vertrauensfähigkeit ist entscheidend. Mir fallen ganz wenige Kontexte ein, wo das falsch ist.
Dr. Nico Rose ist der Sinnput-Geber. Er arbeitet als freischaffender Autor sowie Sparringspartner für Menschen und Organisationen. Von 2019 bis Anfang 2022 war er Professor für Wirtschaftspsychologie an der ISM Dortmund. Zuvor arbeitete er für Bertelsmann, zuletzt als Vice President im Stab des HR-Vorstands. Rose studierte Psychologie in Münster und wurde an der EBS Oestrich-Winkel in BWL promoviert. Zudem studierte er Positive Psychologie an der University of Pennsylvania. Sein siebtes Buch, ‚Hard, Heavy & Happy‘, ist ein SPIEGEL Bestseller. Er ist Kolumnist für die WirtschaftsWoche. Der Metalfan und Vater von zwei Kindern lebt in Münster.