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Feuertaufe für die HR

Dass wie­der ein­ge­stellt wird, ist der bes­te Hin­weis, dass wir die Pan­de­mie wirt­schaft­lich lang­sam aber sicher hin­ter uns las­sen, sagt Jürgen Müller.

Auf brei­ter Front suchen die Unter­neh­men zur­zeit Fach­kräf­te. Inde­ed mel­det fürs lau­fen­de Jahr ein Stel­len­an­zei­gen-Plus von 22 Pro­zent. Auch in Mode­han­del und ‑indus­trie wer­den hän­de­rin­gend Leu­te gesucht. Ver­gan­ge­ne Woche bei der Katag-Chef­ta­gung war das in vie­len Gesprä­chen The­ma.

Die ver­gan­ge­nen 15 Mona­te waren hef­tig, für die Unter­neh­men und die Mit­ar­bei­ten­den. Quer durch die Bran­che wur­den Orga­ni­sa­tio­nen umge­baut und ver­schlankt, Stel­len abge­baut oder erst­mal nicht besetzt. Für die Betrof­fe­nen war das hart. Die Online Retailer haben im Zuge des Coro­na-Booms zwar Tau­sen­de Mit­ar­bei­ten­de ein­ge­stellt. Allein in die­sem Jahr wer­den in Deutsch­land 5000 Ama­zo­ni­ans dazu kom­men. Aber mit einer Ver­kaufs­aus­hil­fe von P&C oder einem Ver­trieb­ler von Esprit kön­nen sie dort eher nichts anfan­gen. Und wer bei H&M Schau­fens­ter gestal­tet hat, wird ungern im Logis­tik­cen­ter Pake­te kom­mis­sio­nie­ren wol­len.

Jetzt stellt man in Mode­han­del und –indus­trie fest, dass man es an der einen oder ande­ren Stel­le mit dem Kos­ten­ab­bau über­trie­ben hat und der Mar­ke­ting­lei­ter doch für was gut ist. Hin­zu kommt, dass sich viel­fach Mit­ar­bei­ten­de in ande­re Bran­chen ver­ab­schie­det haben, die von der Pan­de­mie nicht betrof­fen oder gar Kri­sen­ge­win­ner waren. Dass man­che den Glau­ben an die Zukunft ihrer Fir­ma ver­lo­ren haben und das Mode­busi­ness ins­ge­samt plötz­lich nicht nur als dre­cki­ge, son­dern auch als unsi­che­re Bran­che gilt, sind Signa­le, die auch jene Play­er inter­es­sie­ren müs­sen, die bis­lang kei­ne Pro­ble­me am Arbeits­markt hat­ten.

Dass die Coro­na-Kri­se Ent­wick­lun­gen beschleu­nigt hat, die davor bereits lie­fen, ist eine Bin­se, die auch für den HR-Bereich gilt. Vie­le Per­so­na­ler erleb­ten im Lock­down so etwas wie die ulti­ma­ti­ve Feu­er­tau­fe. Sie waren gefor­dert wie nie und haben maß­geb­lich dafür gesorgt, dass der Laden trotz­dem wei­ter­lief – Kurz­ar­beit orga­ni­siert, mobi­les Arbei­ten ermög­licht, über Nacht fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le aus­ge­tüf­telt und ein­ge­führt, Recrui­t­ing und Wei­ter­bil­dung bin­nen Wochen digi­ta­li­siert etc. Alles Din­ge, die unter nor­ma­len Umstän­den für meh­re­re Jah­re Pro­jekt­ar­beit gelangt hät­ten, so es denn über­haupt Bud­gets dafür gege­ben hät­te.

Per­so­nal­ar­beit ist in vie­len Unter­neh­men ja immer noch etwas, was irgend­wie im Hin­ter­grund läuft und vor allem funk­tio­nie­ren soll. Eine admi­nis­tra­ti­ve, kei­ne gestal­ten­de Auf­ga­be. Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel. Dahin­ter steht häu­fig eine über­kom­me­ne Hal­tung, die Beschäf­tig­te in ers­ter Linie als Kos­ten­fak­to­ren und nicht als Leis­tungs­fak­to­ren ansieht. In Mana­ger-Sonn­tags­re­den wird zwar das hohe Lied aufs Team und die Mit­ar­bei­ter gesun­gen, „ohne die das alles nicht mög­lich wäre“. Von Mon­tag bis Frei­tag sind die Prio­ri­tä­ten dann aber häu­fig ande­re. Fragt man Top-Mana­ger pro­spek­tiv nach den größ­ten Her­aus­for­de­run­gen, geht es in aller Regel um Pro­fit und Umsatz­wachs­tum, retro­spek­tiv waren die größ­ten Pro­ble­me stets Mit­ar­bei­ter- und Füh­rungs­the­men. Und wäh­rend die CEOs selbst­ver­ständ­lich kei­ne Mode­mes­se aus­las­sen, trifft man sie auf Kar­rie­re­mes­sen eher sel­ten.

Wenn es denn stimmt, dass der Wett­be­werb auch über die Qua­li­tät der Mit­ar­bei­ten­den ent­schie­den wird, dann wird dies anders wer­den müs­sen. Nach der Kri­se wird der Arbeits­markt mehr denn je zum Arbeit­neh­mer­markt. Und die Arbeit­neh­mer sind in den ver­gan­ge­nen Mona­ten viel­fach auf den Geschmack gekom­men, was remo­te work, weni­ger rei­sen und ent­spann­ter arbei­ten angeht. Fle­xi­ble Arbeits­zei­ten und Home­of­fice wer­den immer selbst­ver­ständ­li­cher, auch wenn dezen­tra­les Arbei­ten etwa in Krea­tiv­ab­tei­lun­gen nicht unbe­dingt die opti­ma­len Ergeb­nis­se zei­tigt und Home­of­fice bei Ver­kaufs­mit­ar­bei­tern halt nicht geht. Auch wie Unter­neh­men es mit Diver­si­ty und Sus­taina­bi­li­ty hal­ten, wird zuneh­mend zum Kri­te­ri­um bei der Arbeit­ge­ber­wahl. Und wer jetzt auch noch einen Pur­po­se bie­ten kann – umso bes­ser. Der besteht frei­lich bei den meis­ten Unter­neh­men, wenn sie ehr­lich sind, im Geld ver­die­nen. Am Ende gilt dies auch für die Ange­stell­ten. Tisch­ki­cker und Tea­me­vents ver­lie­ren an Zug­kraft, wenn im Freun­des­kreis alle mehr ver­die­nen.

Es reicht nicht, all die­se The­men anzu­ge­hen. Man muss auch dar­über spre­chen. Umge­kehrt soll­te man nicht kom­mu­ni­zie­ren, was nicht ist. Da unter­schei­det Employ­er Bran­ding sich nicht von der sons­ti­gen Mar­ke­ting­kom­mu­ni­ka­ti­on.

Der „War for Talents“ spielt sich im Übri­gen längst nicht mehr nur inner­halb der Bran­che, son­dern bran­chen­über­grei­fend ab. Die zuneh­men­de Grö­ße und Kom­ple­xi­tät der Orga­ni­sa­tio­nen haben zu einer mas­si­ven Spe­zia­li­sie­rung der Funk­tio­nen geführt. Die zuneh­men­de Ver­ti­ka­li­sie­rung in den Unter­neh­men erfor­dert ein intel­li­gen­tes Zusam­men­spiel unter­schied­lichs­ter und hoch­pro­fes­sio­nell arbei­ten­der Fach­leu­te. Die Digi­ta­li­sie­rung erfor­dert völ­lig neue Kom­pe­ten­zen, die die meis­ten tra­di­tio­nell arbei­ten­den Unter­neh­men intern gar nicht haben. Die Aka­de­mi­ker­quo­te in Han­del und Indus­trie ist heu­te eine ganz ande­re als noch vor zehn Jah­ren. Die Bran­che, die eigent­lich die Lie­be zum Pro­dukt eint, muss sich für Techi­es schön­ma­chen, denen Stöff­chen reich­lich schnup­pe sind. Und die auch bei Por­sche, Bio­n­tech oder Apple arbei­ten kön­nen.